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Keine Cajtnot in der Stara Carsija

Copyrigth: Fritz Niemann
Ganze 500 Jahre befand sich Makedonien unter osmanischer Herrschaft, länger als alle anderen jugoslawischen Staaten. Als die Osmanen Ende des 14. Jahrhunderts nach Bitola kamen, benannten sie die Stadt kurzerhand in Manastir um, da es in den umliegenden Bergen so viele Klöster gab (und gibt). Von diesem Zeitpunkt an kamen viele türkische Siedler ins Land und verdrängten die Makedonier in die Berge, was die Osmanen ausnutzten, um zahlreiche Kirchen zu zerstören und zahlreiche Moscheen zu errichten. In Bitola soll es einmal mehr als sechzig islamische Gotteshäuser gegeben haben, vierzig wurden unmittelbar nach dem Niedergang des osmanischen Reiches abgerissen, nur noch einige sind übrig. Was es immer noch gibt, ist die Stara Carsija, das türkische Viertel Bitolas, mit seinem Bazar und dem großen Stadtmarkt, auf dem die Bauern der umliegenden Dörfer ihre Waren feilbieten. Heute haben wir das Flüßchen Dragor überquert und diesen Teil Bitolas erforscht.
Copyright: Fritz Niemann
In der Zeit der Osmanen brachten viele Einwanderer - vor allem Juden, Griechen und Türken - ihr Handwerk mit. In den kleinen Läden des Bazars ist vom Goldschmied bis zum Uhrmacher, vom Sesamkringelbäcker bis zum Zahnarzt alles zu finden. Mittendrin steht eine verfallene Moschee, die ganz profan als Lagerraum dient. An diesem sonnigen, frühlingshaften Samstag scheint sich ganz Bitola durch die engen Gassen zu drängen und sich des Lebens zu freuen. Wenn wir versuchen, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, ist es meistens am Besten, mit der älteren Generation Französisch zu sprechen und mit den Jüngeren auf Englisch. Immer funktioniert das nicht. Ein Zeitungsverkäufer sagte immer nur ""Ruski, Ruski, Makedonia, Sozialisti, Tito: Ruski" und deutete gestenreich an, dass er als damals guter Jugoslawe eben Russisch lernen musste, sonst nichts. Häufig erlebt man aber auch Überraschungen und bekommt von einem Gesprächspartner plötzlich eine Antwort in geschliffenem Schwäbisch. Viele haben mal in Deutschland gelebt oder haben immer noch Familienmitglieder, die dort leben. Als Deutschland in den 1960er-Jahren jugoslawische Gastarbeiter angeworben hat, haben sich vor allem viele Makedonier auf den Weg gemacht, da auch damals die Arbeitslosigkeit in Makedonien bei zwanzig Prozent lag (heute sind es vierzig). Die meisten sind zurückgekehrt, da sie das gesellschaftliche Klima in Deutschland ein wenig zu frostig fanden, wie uns heute unser Gesprächspartner Igor, den wir beim Spinatkauf kennengelernt haben (der fröhliche Herr ganz oben im Bild), erklärt hat. Und so sind einige vertraute und dennoch bemerkenswerte Worte in die makedonische Spache eingeflossen.
Copyright: Fritz Niemann
Schon neulich, als unsere Autobatterie versagte, lernten wir, dass der Anlasser eines Autos auf makedonisch schlicht - anlašer heisst. Was ein gastrbajter, tišler oder hausmajstor ist, liegt auf der Hand. Aber was ist bitte der brušalter oder die cajtnot? Das ist im empfehlenswerten Reiseführer "Makedonien entdecken" genauer nachzulesen. Einen kleinen Tipp kann ich dennoch geben: Beim brušalter handelt es sich um ein gewisse Körperwölbungen stützendes Kleidungsstück und die cajtnot ist ein typisch deutsches Gesellschaftsphänomen - immer rastlos, immer auf dem Sprung: in cajtnot eben. In Makedonien scheinbar vollkommen unbekannt.
Das Angebot auf dem neben dem Bazar gelegene Stadtmarkt ist riesig, auch wenn viele Stände die gleichen Waren offerieren, weshalb wir nicht allen Verkäufern, die uns zuriefen, etwas abnehmen konnten. Berge von Eiern, Kraut, Nüssen, Knoblauch, Oliven, Ziegenköpfen und Heilpflanzen aus den umliegenden Bergen warten auf Abnehmer. Auf einen Ziegenkopf haben wir verzichtet, um dann - schwer bepackt - nach Hause zu gehen und heute Abend ein Festmahl zuzubereiten.
Copyright: Fritz Niemann
Ein kleiner Nachtrag zum "super WLAN": Gestern abend bekam ich eine SMS von Macedonia Online: "Try now the adress is in list now best regards Angela". Heute morgen versuchte ich mich einzuloggen - nichts. Doch als ich die Treppe in den ersten Stock erklomm und den Computer in den Himmel erhob, ging es. Zwei Balken auf der Empfangsskala. Danke, Angela, das ist wirklich "super".

Da heute abend die Buchpräsentation von Walter Rufers bedeutendem Werk "Der Himmel ist blau, ich auch" in der Nachtlinie der Münchner Kammerspiele mit anschließendem Konzert von G.Rag y los Hermanos Patchekos stattfindet, kommt der Song des Tages selbstverständlich von dieser wegweisenden Münchner Band (vom neuen Album "Lucky Goddamn"). Viel Vergnügen beim Reinhören - das ganze Album gibt es bei Gutfeeling in München.
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