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Der lange Weg nach Brüssel

Copyrigth: Fritz Niemann
Antonio Miloschoski ist Jahrgang 1976 - und bereits Außenminister Makedoniens. Im Februar dieses Jahres hielt er auf der Jahrestagung der Deutschen Südosteuropa-Gesellschaft in Duisburg eine Rede, in der er erwähnte, daß ein baltischer Kollege ihm geraten hätte, anstelle des Makedonien von den Griechen aufgezwungenen Namenskürzels "FYROM" (Former Yougoslav Republic of Macedonia) doch besser "FEROM" zu verwenden (Future European Republic of Macedonia). Schöner klingt zwar auch das nicht, dennoch beschreibt es die Zielsetzung der makedonischen Außenpolitik und auch den Wunsch der meisten Einwohner des Landes sehr gut: Makedonien soll EU-Mitgliedsstaat werden, besser heute als morgen. Warum auch nicht? Im Gegensatz zu anderen Balkanstaaten wie Serbien oder Kroatien gibt es keine flüchtigen Kriegsverbrecher, die nach Den Haag überstellt werden sollen und die sich mit Hilfe der jeweiligen Regierungen diesem unangenehmen Gang entziehen können. Auch als Aggressor hat sich Makedonien in den kriegerischen 1990-er Jahren nicht hervorgetan und die im Jahre 2001 kurzzeitig aufflackernden Unruhen waren wohl weniger ein Aufstand einer unterdrückten albanischen Minderheit, sondern ein Überfall kosovarischer UCK-Terroristen auf das friedliche Makedonien. Und welches Land in Europa hat schon eine Verfassung, die sogar den Roma eine lokale Selbstverwaltung zubilligt?
Copyrigth: Fritz Niemann
Im sogenannten Ohridabkommen, das 2001 als Reaktion auf die ethnischen Auseinandersetzungen geschlossen wurde, sind die Minderheitenrechte im multiethnischen Schmelztiegel Makedonien gestärkt worden. In Frankreich heisst Fruchtsalat übrigens "une Macédoine de fruits". In allen Gebieten, in denen mehr als zwanzig Prozent der Einwohner eine andere Muttersprache als makedonisch sprechen, muß diese Sprache (zumeist die albanische) als offizielle Zweitsprache verwandt werden. Diese Schritte wurden von Brüssel im Jahr 2001 honoriert und Makedonien schloss als erstes Land der Region ein Stabilisierungs- und Assozierungsabkommen mit der EU. Seitdem ist aber nicht viel passiert und Makedonien drängt vor allem darauf, dass die lästige Visapflicht für Reisenden in die EU abgeschafft wird. Ein Makedone, der - sagen wir - nach Deutschland reisen möchte, muss sich in einer langwierigen und teuren Prozedur ein Visum besorgen, dafür zweimal nach Skopje reisen, nachweisen, dass er von jemandem eingeladen wurde, zusichern, im Falle einer Erkrankung alle Kosten selbst zu tragen und vieles mehr. Bei einer Arbeitslosenquote von rund vierzig Prozent und einem durchschnittlichen Monatslohn von 200 Euro können sich viele diese Prozedur ganz nicht leisten und bleiben deshalb zu Hause.
Copyright: Fritz Niemann
Die im vergangenen Jahr neu gebildete Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, das Justizwesen zu reformieren und gegen die blühende Korruption vorzugehen - das scheint auch nötig. Eines der Hauptprobleme ist der Nepotismus (Bist Du nett zu mir, bin ich nett zu Dir, warst zu mal nett zu meinem Vater und bin ich Polizist, so reicht ein Anruf und ich reisse Deinen Strafzettel durch, bist Du so nett und tust mir diesen Gefallen, so kann ich Dir einen Job besorgen etc.). Aber den gibt es in - beispielsweise - Italien genauso und Italien ist auch in der EU. Auch Lisa ist mit diesem Phänomen im Rahmen ihrer Arbeit hier schon des Öfteren in Kontakt gekommen, hat sich bislang aber ganz gut dagegen wehren können. Die Regierung scheint es jedenfalls durchaus ernst zu meinen mit ihren Reformbemühungen: die in allen gastronomischen Einrichtungen eingerichteten Nichtraucherzonen sind zwar nichts als ein besserer Witz, da man immer freundlich darauf hingewiesen wird, daß man selbstverständlich trotzdem rauchen könne, aber bitte in eine Untertasse aschen möge (weshalb, habe ich immer noch nicht herausgefunden). Der Verkauf selbstgebrannter Filme scheint mittlerweile auch nicht mehr legal zu sein, denn leider ist Emirs Schrank seit einem kurzen Besuch der lokalen Streifenpolizisten mittlerweile leer - das Land nähert sich den EU-Standards an. Manchmal weiss man aber gar nicht, ob das überhaupt so wünschenswert ist.