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Engelsgesichter und ein erbitterter Kampf

Copyrigth: Fritz Niemann
Seit einigen Tagen treffen wir an jeder Ecke Bitolas US-amerikanische Peace Volunteers, die im Auftrag des Guten den Balkan missionieren. Die Männer sind meist bärtig und haben etwas Jesus-artiges in ihrem Auftreten. Sie sind so gütig und streuen Gelder von US-Aid unters Volk. Sie scheinen überall zu sein: in den Kirchen, in den Bars, in den Diskotheken. Und auf eine seltsame Art sind sie ziemlich unerträglich in ihrer selbstlosen Güte.
Gestern abend stand das prestigeträchtige Bruderduell zwischen Kroatien und Makedonien zur EM-Qulifikation 2008 auf dem Programm, das ich mir mit Philip angesehen habe. Vor voller Hütte in Zagbreb war die Sache eigentlich klar: der noch ungeschlagene Tabellenführer aus Kroatien gegen den Fußballzwerg aus Makedonien. Das sollte ein hoher Sieg werden. Nur die Makedonier haben nicht mitgespielt und sind sogar in Führung gegangen, was für großen Jubel auf dem Marsal Tito sorgte. Hier der Führungstreffer des makedonischen Teams:

Die Trainer beider Mannschaften sind gute Bekannte aus der Bundesliga (Slaven Bilic, Kroatien, ehemals Karlsruher SC und Srečko Katanec, Makedonien, ehemals VfB Stuttgart) und das Spiel war recht munter, auch wenn das Niveau des makedonischen Teams wohl am ehesten mit dem der österreichischen Mannschaft zu vergleichen ist. Immerhin haben sie einen Weltklassemann in ihren Reihen: Goran Pandev von Lazio Rom. Zwar ist der Einäugige unter den Blinden König (fünf Euro ins Phrasenschwein), aber leider hatte das makedonische Team bereits in der ersten Halbzeit sechs gelbe Karten kassiert, so daß es absehbar war, daß Goce Sedloski, Kapitän der Makedonier in der 68. Minute nach einer gewagten Beinschere des Feldes verwiesen wurde. Was folgte, war ein einziger Sturmlauf des kroatischen Teams und - folgerichtig - in der 88. Minute der Siegtreffer durch den Spieler mit dem sehr kroatischen Namen Eduardo Da Silva. Niedergeschlagen wirkte denoch niemand so richtig - es hatte ja ohnehin niemand mit einem Sieg gerechnet. Nach Abfiff des Spiels füllte sich die Bar in Minutenschnelle, so daß kein Durchkommen mehr war, die Bäße peitschten und der Laden brodelte.
Copyright: Fritz Niemann
Wir trafen dann Lisa und zogen in den Club Infinity weiter, so etwas wie das P1 Bitolas. Der DJ legte ein Technobrett auf, das einen an die frühen Neunziger denken ließ und der Laden war voller Kunstleder und Kunstbrüste. Vor dem Damenklo bildete sich eine lange Schlange und alle hatten ihr Kosmetiketui dabei, beobachtet von den in der VIP-Lounge Sitzenden. Die befindet sich geruchsneutral genau zwischen den beiden Toiletteneingängen, was es uns leichter verschmerzen ließ, nicht zu den VIPs zu gehören. Ich möchte nicht vergessen, zu erwähnen, daß sich inmitten der anderen Tanzenden ein bärtiger US-amerikanischer Peacecorps Volunteer zum Takt der Musik bewegte. Ganz in sich versunken. Der Gesichtsausdruck so gütig, engelsgleich. Die Nacht endete spät und früh. Jetzt gehen wir in den Zoo von Bitola. Und ich möchte doch fast darauf wetten, dass wir dort einen US-Volunteer treffen. Oder - vielleicht ist es gar kein Besucher?