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Gastrotest: Restaurant Grne

Copyright: Fritz Niemann
Vor ein paar Tagen trafen wir Ilja, der Multimedia und Webdesign an der technischen Fakultät von Bitola lehrt. Er brachte seine Frau und seinen dreijährigen Sohn Tomasz mit und erzählte uns einige interessante Geschichten über Makedonien. Ein Universitätsprofessor verdient 500 Euro im Monat. Davon kann man hier ganz gut leben, das ist keine Frage. Verglichen mit den schwindelerregenden Gehältern, die viele Professoren in Deutschland im Laufe ihres Lebens durch ihre zahlreichen Nebentätigkeiten zusammentragen, ist es aber dennoch wenig. Ilja sah man an, dass er ein Mann war, der gerne gut und viel isst. Deshalb fragten wir ihn, ob er einen Tipp für uns hätte. Er hatte und empfahl uns das Restaurant Grne, sehr schön neben der Jeni-Moschee am Ende des zentralen Boulevards Marsal Tito gelegen, der von den Einwohnern Bitolas auch Sirok Sokak, weite Strasse, genannt wird. Copyright: Fritz Niemann
Das Restaurant war fast voll, der Kellner wies uns einen Tisch im Nichtraucherbereich zu und gab uns sogeich zu verstehen, dass es überhaupt kein Problem sei, trotzdem zu rauchen. Er stellte drei Aschenbecher auf den Tisch, einen pro Person. Der gewölbeartige Raum wurde von einer Livecombo beschallt, die ich hier nicht als aus Musikern bestehend beschreiben möchte. Musikdienstleister oder Musikbeamte trifft es sicher besser. Mit erstarrtem Gesichtsausdruck gaben die drei uniformierten Herren, die ihre Sechziger bereits längere Zeit erreicht hatten, einen Gassenhauer nach dem anderen zum Besten (Marina, Marina, Marina...). Als ich begann zu klatschen, drehte sich der gesamte Raum nach uns um und sah uns fragend an, auch die Musiker selbst wirkten irritiert. Auch nach diesem Anfeuerungsversuch wurde die Musik nicht schwungvoller - aber eigentlich wollen wir hier ja ohnehin über das Essen im Grne sprechen. Die Speisekarte bietet einen breiten Überblick über die Spezialitäten der makedonischen Küche: vom fast schon obligatorischen Sopska-Salat über Grillfleisch in allen erdenklichen Varianten bis hin zu Forelle, die hier "Kalifornia-Trut" heisst. Der Unterschied zwischen einem Sopska-Salat und einem griechischen Salat ist in Makedonien übrigens minimal: einmal wird der Käse gerieben, das andere Mal mit dem Salat gemischt. Lisa und ich entschieden uns für Wildschwein-Ragout, Erik für Wild. Um welches Wild es sich handelte, konnte leider nicht herausgefunden haben, da unser Kellner zwar sehr freundlich, aber keiner Fremdsprache mächtig war.
Copyright: Fritz Niemann
Der in den meisten Restaurants angebotene Wein heisst entweder T´ga za jug (etwas beeriger und voller) oder Alexandria (etwas weniger vollmundig und vor allem nicht so beerig). Beide sind sie nicht schlecht - wir tranken den Alexandria und unser Kellner hatte uns mittlerweile lieb gewonnen. Er schlug sich und uns auf die Schultern und freute sich dabei. Wir auch. Das Essen war wirklich hervorragend: das Wildschwein unglaublich zart und der Salat frisch (das ist er aber immer in Makedonien). Der später gereichte Rakija rundete den Abend ab und wir waren froh, dass unser Hotel nicht weit war. Preislich liegt das Grne für mazedonische Verhältnisse im oberen Bereich, wir verbrachten einen ganzen Abend, der Leib und Seele zufriedenstellte, in diesem Restaurant und gaben zu dritt nicht mehr als vierzig Euro aus. Atmosphärisch ist noch Raum nach oben im Grne. Es ist zu hoffen, dass die Musiker bald aus ihrer Starre erwachen.

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