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Maskenball und der einäugige Pilzgelehrte

Copyright: Fritz Niemann
Gestern war in Bitola - wie an jedem ersten April - Maskenball. Seltsamerweise ist das Wort in die makedonische Sprache eingegangen. Lange waren die Habsburger nicht hier, es scheint gereicht zu haben, um den Maskenball und den Apfelstrudel mitzubringen. Vor allem unter den jungen Bürgern Bitolas gab es gestern einige Scheichs, viele Prinzessinen und noch viel mehr Supermans und Batmans. Wir entzogen uns dem Trubel und fuhren nach Prilep, ungefähr vierzig Kilometer nördlich von Bitola gelegen. Prilep heisst in der deutschen Übersetzung "die Wunderschöne" und zumindest auf die Lage der Stadt trifft das zu: sie liegt am Fuße einer surrealen Felsformation, auf deren Spitze sich die Festung des legendären Königs Marko gefindet. Marko - der im Volksepos 160 jahre alt wurde - erwarb sich seinen legendären Ruf, weil der den anstürmenden Osmanen lange trotzen konnte - nicht lange genug, denn 1394 eroberten sie Festung und Stadt dennoch und blieben dann fünf Jahrhunderte lang im Lande. Wir verzichtenen auf den Genuss der lokalen Spezialität mit Namen Sirden: Lammeingeweide, gefüllt mit Kalb, Hammel und Schwein und machten uns auf den Weg in Richtung Fels.
Copyright: Fritz Niemann
Der Weg führt durch den Stadteil Varos, neben uns grasten friedlich Pferde und Esel und nach einiger Zeit erreichten wir zunächst das Kloster Sveti Mahail Arhangel, mitten im Berg gelegen. Im Kloster leben offenbar einige Nonnen, die ihr Einsiedlerleben jedoch hinter verschlossenen Türen führen, so dass wir sie leider nicht zu Gesicht bekamen. Dafür gibt es - versteckt hinter einer kleinen Tür im Hof - einen Trinkwasserbrunnen, an dessen kühlen Nass man sich mit Hilfe eines langstieligen Löffels laben kann. Die Aussicht auf Prilep und das umliegende Land war im strahlenden Schein der Nachmittagssonne so prächtig, dass wir den Anstieg zur Festung auf den nächsten Besuch verschoben. Kurz wurden wir dann von einem Esel gejagt, der sich losgerissen hatte, aber das Tier hatte offensichtlich auch nur den Wunsch, aus seinem ihm von seinem Besitzer zugedachten Radius von zehn Metern auszubrechen und die Aussicht zu geniessen. Jedenfalls blickten ihm seine Gefährten leicht wehmütig und neidvoll nach. Wir machten uns langsam auf den Weg zurück und mir fiel auf halber Strecke ein Haus und ein Schild mit einigen Abbildungen von Pilzen auf. Davor saßen ein rauchender Greis und ein Pitbull. Nun - die Verständigung war schwierig, aber nach einiger Zeit rief der Greis seinen Sohn und der Pitbull hatte offenbar auch keine Einwände gegen unseren Besuch. So lernten wir den einäugigen Pilzgelehrten kennen, der uns in seine Stube bat.
Copyright: Fritz Niemann
Jovan Jovceski handelt mit allem, was Namen wie Botetus Edulis, Morchella rotunda oder Cantharellus cibarius fries trägt. In seinem kleinen Laden standen die Pilze - frisch und getrocknet - gleich säckeweise herum. Da er Handel mit einer Firma aus Palermo treibt, konnte er einige Brocken italienisch und erklärte uns mit Begeisterung, dass er als Agraringenieur einer Art Pilzgelehrter sei und wir der Qualität seiner Produkte bedingungslos vertrauen könnten. Dabei durchbohrte uns der Bick seines starr gewordenen rechten Auges. Leider hatte er keine Pfifferlinge, da die erst Ende Mai so weit sind und so entschieden wir uns für ein halbes Kilo der Sorte Botetus Edulis, die ihren Lebenszweck gestern Abend in einer Steinpilzpasta erfüllten. Jovan hatte nicht zu viel versprochen und beim nächsten Prilep-Besuch werden wir garantiert wieder bei ihm vorbeischauen - jedenfalls wenn der Pitbull in so aufgeräumter Stimmung ist, wie gestern.