Archiv & Kommentare

In Vino - Rot

Copyright: Fritz Niemann
Ohne es zu wissen, haben vermutlich schon einige Leser dieses Blogs makedonischen Wein getrunken - immerhin liegt Makedonien auf der Liste der Nationen, die Wein nach Deutschland liefern, auf dem vierten Platz. Von den jährlich mehr als 200.000 Tonnen exportierten Weins landet die Hälfte - mit anderen Sorten vermischt - unter einem anderen Label in deutschen Supermarktregalen und kann so gar nichts dazu beitragen, dem makedonischen Wein zu größerer Bekanntheit zu verhelfen. Das ist schade, denn die Weine hier sind überraschend gut und sauber. Hauptanbaugebiet ist das Tikveš-Tal, wo schon zu Zeiten Alexanders des Großen Trauben angebaut wurden. Was den makedonischen von anderen europäischen Weinen unterscheidet: ihm werden kaum Zucker und Sulphite zugesetzt, weshalb sich ein eventueller Kater nur nach dem Konsum exorbitanter Mengen einstellt, was in mehreren Praxistests nachgewiesen werden konnte. Größter Weinproduzent des Landes ist die Tikveš-Kellerei, deren Hauptprodukte "Alexandria" und "T´ga za Jug", was "Sehnsucht nach dem Süden" heisst, in jedem Restaurant und jedem größeren Supermarkt angeboten werden. "T´ga za Jug" ist der Titel eines elegischen Gedichts ("Gebt mir Adlersflügel, daß ich in die Heimat entschwinde"), das der Poet Konstantin Miladinov 1860 im hundskalten Moskau schrieb. Der "Alexandria" ist ein angenehmer, trockener Cabernet Sauvignon, der ein Essen gut begleitet und mit dem man auch sonst nicht viel falsch macht. Wer wirklich "Sehnsucht nach dem Süden" verspürt, sollte wissen, dass dieser Wein einem Flug mit offenem Mund in ein Erdbeerfeld gleicht - nichts für Liebhaber trockener Weine und somit nichts für den Verfasser dieser Zeilen.
Copyright: Fritz NiemannCopyright: Fritz NiemannCopyright: Fritz Niemann
Die Weintradition in diesem Landstrich wurde nicht einmal unter der Herrschaft Osmanen unterbrochen, da der Traubenanbau bei ihrer Ankunft schon viel zu verbreitet war, um verboten zu werden - so fand er einige Jahrhunderte lang nur versteckt hinter den Mauern der Klöster statt, was ihm offensichtlich nicht geschadet hat. Da dem Wein fast kein Zucker zugesetzt wird, sind die meisten Sorten trocken (bis auf die Sehnsucht) und natürlich haben wir unseren Praxistest ausgeweitet. Sehr wohlschmeckend ist die Special Selection aus dem Hause Tikveš (links), die zwar auch ein Vranec ist, aber dieses Mal - erfreulicherweise - staubtrocken. Bovin ist der renommierteste Weinproduzent des Landes, ansässig in Negotino mitten im Tikveštal. Der Pinot Noir (rechts) würde eine Dekantierung verdienen und entfaltet seine Reize erst nach einer halben Stunde - dann aber ist es ein reicher, tanninhaltiger und sehr interessanter Tropfen, den wir gerne wieder trinken werden. Unser bisheriger Favorit aber ist ein Merlot mit Namen "Popov" (mitte) von einem Familienbetrieb aus Sopot, natürlich auch aus dem Tikveštal (woher sonst?). Reich, rund, sauber - hervorragend. Keiner der besprochenen Weine kostet mehr als 300 Denar (=5 Euro). Für dieses Geld bekommt man aus Frankreich höchstens noch die Restprodukte einer Kooperative. Sollten Sie mal nach Makedonien kommen und Durst nach einem guten Roten verspüren, so sagen Sie einfach: Jaz mozem vino! In unserer nächsten Folge widmen wir uns den Weissweinen, aber erst, wenn es hier ein wenig wärmer geworden ist.